Lossow
und Cocceji im Warthebruch |
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Die Landschaft der Neumark prägte die Eiszeit. Ihre
Endmoränen hinterließen Höhenzüge, hügeliges Gelände, Seen, Bäche,
breite Flussläufe mit Morast und Sümpfen. Aus den abtauenden mächtigen
Eismassen spülten die abflutenden Wassermassen breite Täler aus. Als
größtes in dieser Gegend gilt das Thorn Eberswalder Urstrom Tal. Es
zieht sich von der Weichsel im Osten in Richtung Westen bis zur Oder
hin, und es entstanden daraus die Flüsse: Netze, Warthe und Oder. Die Hinterlassenschaften der Naturgewalten in Form
unwegsamer Gelände ließ doch schließlich den Wert eines brauchbaren
und fruchtbaren Ackerbodens erkennen, und der preußische König
Friedrich Wilhelm wusste dies zu schätzen. Er begann damit, Land
urbar zu machen. Für die Landgewinnung im Oderbruch ließ er als
erstes das Flussbett vertiefen, um einen schnelleren Abfluss des
Wassers zu erreichen und den Grundwasserstand zu senken. Diesen
Arbeiten folgte sogleich die Eindeichung der Oder, wodurch die Siedler
keine Hochwasserängste mehr zu befürchten hatten. Dieser König
hinterließ seinem Sohn Friedrich II. Entwürfe und Anweisungen,
weitere Eindeichungs- und Trockenlegungsprojekte an Netze und Warthe
durchzuführen. Derartige Vorhaben benötigten für den jungen
Nachfolger viel Zeit, denn er trat nach dem Tod seines Vaters 1740
seine Regierung an. Kriege und andere Probleme beschäftigten ihn zunächst
voll und ganz, so dass ihm für Landgewinnungsprojekte kein Spielraum
blieb. Erst nach dem 7-jährigen Krieg (1756 - 1763) änderte sich die
Situation. Trotz tiefer Wunden durch Zerstörung im eigenen Land an
Hab und Gut und schmerzlicher Verluste an Menschen und Material, begab
er sich schon nach dem Frieden von Hubertusstock 1763 an das geniale
Werk, dieses Urstromtal zu kultivieren. Schon im gleichen Jahr begannen die Eindeichungsarbeiten an der Netze und 1767 im Warthebruch. Bewundernswert ist doch wohl aus heutiger Sicht die
Bewältigung und Durchführung dieses Vorhabens. Woher kamen die
vielen Arbeitskräfte auf schnellem Wege für dieses
Trockenlegungswerk? Wie konnte man in relativ kurzer Zeit die
kilometerlangen Deiche mit primitiven Werkzeugen wie Spaten,
Schaufeln, Rodehacken, Karren und Ackerwagen aufschütten? Außerdem
erhielt der Flusslauf gegen die Verflachungs- und Versandungsgefahr
Buhnen, das sind in den Fluss hineinragende Strauch- und
Steinpackungen in Abständen von etwa 150 - 200 Meter und auch darüber. Der Wall und die Warthe unterlagen bis 1945 der ständigen
Kontrolle durch den eingesetzten Deichhauptmann mit seinem
Arbeitsstab. Wie viele Menschen waren eigentlich an diesem Bauwerk
beteiligt? Wo und wie haben sie gewohnt? Wer hat sie verpflegt? Oder
hat man Soldaten eingesetzt? Das sind Fragen, die noch offen sind! Auf
die von Erfolg gekrönten Leistungen konnten die Beteiligten recht
stolz sein und der Alte Fritz zufrieden den Ausspruch tätigen: ,,Hier habe ich eine Provinz im Frieden
erobert!". Sogleich begann die Kolonisierung und Besiedlung der
nunmehr vor Wasserfluten geschützten Flächen. Die Siedler kamen aus Polen (sogenannte Rückwanderer),
aus Sachsen, aus Württemberg, aus der Pfalz, aus Mecklenburg u.
anderen Teilen des Landes. Sie alle erhielten vollbäuerliche Besitzflächen,
die in Erbverschreibungen (Gründungsurkunden) ihren Niederschlag
fanden. Damit erhielten sie gewisse staatliche Freiheiten und Selbständigkelten
eingeräumt. Zu diesen voll-bäuerlichen Kolonien zählten auch Lossow
und Cocceji. In den Dorfgründungen gab es drei Varianten zu
unterscheiden: Kur-fürstliche und königliche Amtsdörfer; das sind Dörfer
ohne Rittergüter, wie z. B. Döllensradung, Fichtwerder, Pyrehne,
Logau, Schützensorge, Woxholländer u. a. Schon 1589 bestand ein Amt
Himmelstädt mit Dörfern, die auf dem Höhenzug lagen, und zwar von
Kladow bis hin nach Vietz und Massin. Dieses Amt erweiterte seinen
Besitzeinfluss um einige Dörfer in der Nachfolgezeit. Zur weiteren Kategorie gehörten die adligen Dörfer
mit dem Sitz ritterlicher Geschlechter. Hier waren die Dorfbewohner an
gewisse Pflichten gebunden: Abgaben, Hand- und Spanndienste usw.
Hierunter fallen z.B. die Dörfer: Blumberg, Stollberg, Tamsel,
Stennewitz u. a. m. Daneben gab es noch eine geringe Anzahl von Dörfern
auf adligem Grund, wozu Lossow, Cocceji, Johanneshof, Lipke u. a. gehörten.
Als letzte Gruppe sind die rathäuslichen Dörfer der Stadt Landsberg
zu nennen, deren Gründung auf das 14. Jahrhundert zurückgeht und auf
den Hochflächen lagen. Dazu gehörten: Borkow, Dechsel, Kernein,
Eulam, Lorenzdorf und Wepritz. Zum städtischen Bruch gehörten die Siedlungen:
Landsberger-Hol!änder, Plonitz, Blockwinkel, Altensorge und
Berkenwerder. Bei dieser Besiedlung ist ein besonderer Teil dem
Johanniterorden zuzuschreiben. Bis 1785 zählten 95 neu gegründete
Kolonien mit 68740 Morgen Land im Warthebruch. Die dörflichen Anlagen bestanden hier grundsätzlich
aus Streusiedlungen - jedes Gehöft stand auf dem eigenen Ackerland.
In Lossow und Cocceji betrug die Größe der Höfe etwa 30 Morgen
Land. In Raumerswalde und Gerlachsthal dagegen nur 5 Morgen. Diese
Siedler konnten ohne Nebenerwerb nicht existieren. Die Gründung von Raumerswalde erfolgte 1771 und
wurde nach dem Oberstleutnant Raumer benannt. Gerlachsthal entstand
1773 und erhielt den Namen nach dem Finanzrat Gerlach. Die Gründung
Lossow geht auf das Jahr 1776 zurück, bei der Namensgebung stand der
General von Lossow Pate. Im gleichen Jahr erhielt das gesamte Cocceji
seinen Namen nach dem Großkanzler Cocceji. Cocceji erfuhr im nächsten
Jahrhundert die Teilung in Cocceji-Neuwalde und Cocceji-Neudorf. Für die Kolonisten war es ein sehr schweres
Unterfangen aus dem verwilderten, mit Strauchwerk und Gestrüpp,
bewachsenen Unland einen ertragfähigen Ackerboden zu gewinnen. Die Sorge des Königs bestand darin, die Not der
Menschen zu lindern und Wohlstand zu schaffen, und das konnte
weitgehend durch den Landbau geschehen, der als Quelle des Wohlstands
galt. Zu diesem Zwecke ließ der König aus seinen im Kriege
angelegten Magazinen 40.000 Scheffel Getreide als Saatkorn verteilen.
Ebenfalls erhielten, an die leidenden Landbesitzer 35.000 Militärpferde
zur Bestellung ihrer Scholle und außerdem noch Steuernachlass oder
sogar bares Geld. Der König legte sein Augenmerk besonders darauf,
Kolonisten aus solchen Gegenden heranzuziehen, in denen der Ackerbau
schon auf einer hohen Stufe stand, und dazu brachten die Württemberger
und die Sachsen die besten Erfahrungen mit. Die Holländer und auch
die Ostfriesen verbesserten die Viehzucht und das Molkereiwesen. Für
die Hebung des Gartenbaues und der Obstzucht hatten die Pfälzer einen
guten Ruf. Aus Spanien ließ der König eine edlere Schafrasse ein führen,
um feinere Wolle zu erhalten. Weiterhin förderte er den Kleeanbau für
eine gute Futtergrundlage und schaffte Wagenladungen Kartoffeln
herbei. Da die Kartoffel aber als Nahrungsmittel völlig unbekannt
war, ließ der König von den Kanzeln herab die Vorteile dieser Frucht
erklären. Die im Warthebruch angesiedelten Menschen kamen aus vielen
Teilen Deutschlands als gegenseitige Fremdlinge und begaben sich also
in eine gewisse Notsituation. Sie besaßen kein Dach über dem Kopf,
keine feste Einkommensgrundlage und mussten schwerste Rodungs- und
Aufbauarbeiten ausführen - das sind Kriterien, die den menschlichen
Charakter zu einer Kampf- und Arbeitsgemeinschaft formen. Wie soll man
allein auf sich gestellt wild-gewachsene Bäume ausroden können, ohne
nachbarliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es sind hohe menschliche Qualitäten und Werte, die
hier im Warthebruch vorzufinden und an die nachfolgenden Generationen
weitergegeben worden sind. Hierzu gehören: Hilfsbereitschaft,
Ehrlichkeit, Gutmütigkeit, Sparsamkeit, Bescheidenheit, Fleiß und
nicht zuletzt auch Frömmigkeit. Mit derartigen Eigenschaften
versehen, strebten sie auf ein Fortkommen und zum Wohlstand. Ich
erinnere mich, dass meine Eltern an Sonn- und Feiertagen Kaffeebesuch
empfingen und wenn dieser ausblieb, sie selbst sich auf Besuch begaben
zu Nachbarn, Bekannten oder Verwandten. Auch lange Winterabende
dienten ebenfalls der Geselligkeit. Der allsonntägliche Kirchgang
galt bei den meisten Bewohnern in Lossow als inneres Bedürfnis, wobei
gleichzeitig vor und nach dem Gottesdienst ein reger Gedankenaustausch
stattfand. Auf Gaststättenbesuche verzichtete man in dieser Gegend. Ein weiterer Zusammenhalt bildete sich durch ein gepflegtes Vereinsleben aus. Zu nennen ist der gemischte Chor, der damals keine Nachwuchssorgen kannte. An kirchlichen Feiertagen hatte er seine Auftritte unter der Leitung des Dorfschullehrers Walter Scheel und nach seiner Versetzung nach Heinersdorf unter Erich Giese. Sängerveranstaltungen mit Theatervorführungen im Winter gehörten zu den Obliegenheiten dieses Vereins. Der Kriegerverein vereinigte die ehemaligen Kriegsteilnehmer, die sich regelmäßig versammelten. Ihr alljährliches Vereinsfest - auch Volksfest genannt - wurde mit musikalischem Umzug auf der Festwiese beim Gastwirt Emil Preuße mit Ansprachen, gemütlichem Beisammensein, Kinderbelustigungen (Karussell fahren und Würfelspiel) begongen und endete mit Tanz im Saal. Der Saal von Emil Preuße bildete ohnehin den kulturellen Mittelpunkt durch Theateraufführungen, Versammlungen, landwirtschaftlichen Fachvorträgen, Lichtbild- und Kinoveranstaltungen, Tanzvergnügungen, Maskenbällen, aber auch durch Missionsabende der Herrnhuter Brüdergemeinde, deren Berichte aus der Missionsarbeit in aller Welt ein beachtliches Echo unter den Zuhörern fanden. Auch der Feuerwehr muss hier ein Platz eingeräumt werden - hatte sie doch im Falle eines Brandes wichtige Aufgaben zu erfüllen. Bis zur Mitte der dreißiger Jahre galt es, die Feuerspritze mit Hand- und Muskelkraft zu betätigen. Die Freiwillige Feuerwehr erhielt dann durch die großzügige Unterstützung der Gemeinden ein mit Benzinmotor betriebenes Spritzengerät mit einer Leistung von 800 1/min, und das reichte aus, um im Krieg in Berlin zum Einsatz zu kommen. Brandbekämpfungen kamen in Lossow und Cocceji sehr selten vor, denn ich kann mich nur an zwei Brände erinnern. Um 1931 brannten die Scheune von Frau Rohde und in späteren Jahren das Wohnhaus der Familie Grunow nieder. Ich kehre noch einmal zu den Feiertagen zurück. Auch wurde jeweils der dritte Weihnachts-, Oster- und Pfingstfeiertag am Nachmittag durch Arbeitsruhe begangen. Geburtstage, Kindtaufen und Konfirmationen feierten die Familien im kleinen Rahmen. Für die Hochzeiten legten die Beteiligten größere Maßstäbe an. An dieser Stelle möchte ich mit einem Beispiel der
Hochzeitsfeier im Hause Fritz Bartzke - Brautleute Hildegard Bartzke
und Gerhard Spehr aufwarten: Die Hochzeitsvorbereitungen begannen mit dem
Kuchenbacken im Steinofen, der außerhalb der Hofstelle stand und mit
Strauchwerk befeuert wurde. Er bot Platz für viele große
Bauernkuchenbleche, und danach nutzten die tüchtigen Bauersfrauen die
Resthitze für den Backvorgang der Bauernbrote. Hilfreiche Frauenkräfte
aus der Nachbarschaft bemühten sich, verschiedene Kuchensorten, aber
auch Torten von bester Qualität und großen Mengen abzubacken. Die
Herstellung der Backwaren sollte nicht nur den Gästen dienen, sondern
auch Freunden und Bekannten, die nicht zur Feierlichkeit geladen
waren. Es gehörte zum Brauchtum in Lossow, diesen Leuten den Kuchen
ins Haus zu bringen. Damals erhielt ich den Auftrag, Kuchen mit dem
Fahrrad auszufahren. Es übersteigt noch heute meine Vorstellungskraft
bezüglich der Kuchenmenge, denn ich benötigte dafür einen vollen
Tag. Für die Hochzeitstafel und den hochzeitlichen Tanz wurden sämtliche
Möbelgegenstände ausgeräumt. Am Vorabend der Hochzeit fanden sich
viele Dorfbewohner -vorwiegend Knechte, Mägde und Jugendliche - zum
Polterabend ein. Auch sie erhielten Kuchen und Getränke. Viel Unfug
geschah dabei! So hievten sie z. B. einen alten Kinderwagen oder
leichtes Ackergerät auf den Dachfirst. Die kirchliche Trauung vollzog sich in den frühen
Nachmittagstunden. Pferdebespannte Kutschen der Gäste oder auch
Nichtgäste beförderten die Hochzeitsgäste zur Kirche. Das Brautpaar
fuhr in zeitlichem Abstand hinterher. Mit dem Mittagsmahl begann die häusliche Feier,
eingerahmt von Tischreden und Gedichten, die meistens von Kindern,
aber auch von Erwachsenen vorgetragen wurden. Das Festessen bestand
aus vielen Gängen mit der Auswahl mehrerer Sorten Fleisch in
reichlicher Menge und allerbester Qualität, und das, weil in der
Regel eine Meisterköchin in der Küche wirkte. Nach diesem Mahl
vertraten sich die Gäste die Füße, indem sie die Felder
besichtigten und plauderten Es folgte die Kaffeetafel, wo wiederum ein
reichhaltiges Angebot an Kuchen und Torten zur Auswahl standen. Eine
Musikkapelle - bestehend aus einem Trio - spielte auf, und es war
Gelegenheit zum Tanzen gegeben. Zur späten Stunde kam dann das
reichliche Abendessen auf den Tisch. Um Mitternacht gingen die der
Braut nahestehenden Jungfrauen daran, den Brautschleier abzustecken,
ihn hochzuhalten, damit das neuvermählte Paar darunter tanzen konnte.
Es deutete auf das Ende der Brautzeit und auf den beginnenden
gemeinsamen Lebensweg hin. Tanz und nochmaliges Kaffeetrinken mit
Kuchen und Torten ließen das Hochzeitsfest ausklingen. Die noch
verbliebenen Gäste formierten sich am frühen Morgen zu einem Marsch
mit Musik durch die Dorfstraße, wobei der Zug einige Höfe
ansteuerte, um aus mitgeführten Flaschen alkoholische Getränke
einzuschenken. Dieses Hochzeitserlebnis habe ich noch heute in sehr
guter Erinnerung und habe deshalb so ausführlich darüber berichtet. In Lossow war es so üblich, dass nach einer Verehelichung der jungen Leute der landwirtschaftliche Betrieb an sie notariell übertragen wurde. Die bisherigen Eigentümer (Eltern oder Schwiegereltern) traten in das Ausgedinge (in den Ruhestand) und legten im Verschreibungsvertrag ihre Forderungen der Altersversorgung fest. Dieser Vertrag beinhaltete die freie Wohnung im Bauernhaus, die zu stellenden Lebensmittel, das Heizungsmaterial und auch Geldzahlungen. Diese Art der Abmachungen ging der zwingenden Notwendigkeit voraus, weil es damals weder eine öffentliche Krankenversorgung noch eine Krankenkasse als Pflichtversicherung gab. In der Regel kam die vertragliche Festlegung überhaupt nicht zur Anwendung, weil die beiden Generationen eine Familiengemeinschaft bei der Arbeit und auch bei Tisch bildeten. Der nächste Arzt oder Zahnarzt befand sich nicht am Ort, sondern in einer Entfernung von 7 km. Das Krankenhaus lag in Landsberg. Diese Verhältnisse wären für unsere heutigen Gewohnheiten undenkbar. Aus diesen Gründen starben Menschen zu Hause und nur in seltenen Fällen im Krankenhaus. Sie wurden in einem Zimmer aufgebahrt, und hier fand auch die Trauerfeier statt. Mit dem Leichenwagen bewegte sich der Trauerzug zum Friedhof, wo Nachbarn und Freunde die Bestattungsarbeiten ausführten. Die evangelische Frauenhilfe, die von dem Pfarrer und
seiner Ehefrau geführt wurde, traf sich nicht nur zu Zusammenkünften
im Pfarrhaus, sondern sie übernahmen auch neben ihrer bäuerlichen
Arbeit soziale und pflegerische Tätigkeiten, indem sie kranke Frauen
mitversorgten. An langen und kalten Winterabenden trafen sich die
Frauen des Dorfes, um bei einer Bauersfrau beim Gänse-, Enten- und Hühnerfederreißen
- auch Federschleißen genannt - zu helfen, d. h. die zarten Federn
wurden von den Federkielen abgeteilt. Es war eine mühselige und
langweilige Arbeit, die sich aber in einer Gemeinschaft leichter bewältigen
lässt, besonders dann, wenn Lieder diese Arbeit begleiteten. In
vorgerückter Stunde endete diese Tätigkeit mit Kaffee und Kuchen und
setzte sich dann am nächsten Abend wieder fort. Die Federn benötigten
die Bauern für den eigenen Bedarf und für die Aussteuer der Kinder. Für Fleisch und Wurstwaren sorgte jeder Landwirt
selbst, indem Schweine, Schafe, Rinder oder auch Federvieh
geschlachtet wurden. Bei den Großtieren besorgte dies ein Hausschlächter,
der das Tier schlachtete, zerkleinerte und auf Wunsch auch zu Wurst
verarbeitete. Der amtlich eingesetzte Fleischbeschauer Otto
Stellmacher wurde hier tätig und musste Untersuchungen auf
Trichinenbefall vornehmen. Die Selbstversorgung betraf auch Marmeladekochen,
Sirupgewinnung aus Zuckerrüben und Zubereiten von Pflaumenmus. Der
Obstbau trug auf dem elterlichen Grundstück besonders gute Früchte,
die mein Vater nach der Ernte an private Haushalte in Landsberg
verkaufte. Erwähnenswert ist noch der Reiterverein in Lossow. Neben
der schweren täglichen Arbeit für Mensch und Pferd fanden sich
Landwirte in Lossow zu diesem Sport zusammen. Sie übten und
trainierten die Pferde an Sonntagen und veranstalteten jährlich mit
den umliegenden Vereinen ein Reiterfest auf Preußens Festplatz. Die
Arbeits- und gleichzeitig auch Reitpferde konnten natürlich keine Höchstleistungen
vollbringen, genügten aber den Anforderungen des Reiters und holten
sogar Preise. Nun berichte ich noch über die Verwaltungsstruktur
der im Bericht erwähnten Dörfer. Die Gemeinden Lossow, Cocceji-Neuwalde,
Cocceji-Neudorf, Gerlachsthal und Raumerswalde bildeten einen
Amtsbezirk, den der Amtsvorsteher Erich Giese, Cocceji-Neudorf, bis zu
seiner Ablösung durch Richard Wehlitz, Cocceji-Neuwalde, leitete. In
jeder der genannten Gemeinden stand ein Bürgermeister an der Spitze.
In Lossow: Richard Zielicke; in Cocceji-Neuwalde: Paul Blocksdorf; in
Cocceji-Neudorf: Max Schwabe. Amtliche Bekanntmachungen hingen im
Kasten aus, und es zirkulierte gleichzeitig ein Schulzenzettel von
Haus zu Haus, um so die neuesten Anordnungen und Verordnungen kennen
zu lernen. Das von uns benutzte Postamt mit Fernsprechmöglichkeit
befand sich im Hause des Mühlenbesitzers Knittel, Landsberger-Holländer.
Die Postzustellung ging auch von hier aus, und zwar durch den ,,ewigen
Fußgänger" Zerbe, der stolz mit Krückstock und Zigarre seinen
Dienst ausführte. Sein Nachfolger Gericke konnte sich mit dem Fahrrad
schneller fortbewegen. Schließlich erhielt die Gastwirtschaft mit
Kolonialwarenhandel von Emil Preuße eine Posthilfsstelle mit
Telefondienst. Frau Agnes Preuße waltete hier ihres Amtes neben dem
Verkauf von Lebensmitteln. Ein weiteres Postamt befand sich in
Cocceji-Neudorf dicht neben der Gastwirtschaft Friedrich. Paul
Friedrich verrichtete hier seine Amtstätigkeit und stellte auch die
Post zu. Otto Steinborn löste ihn dann ab. Die Dorfschule lag neben der Kirche in Lossow, ihr Zuständigkeitsbereich umfasste die Orte Lossow, Cocceji-Neuwalde und Cocceji-Neudorf. Hier wirkte der Dorfschulmeister Walter Scheel. Es handelte sch um eine einklassige Schule, in der acht Jahrgänge von Schülern in einem Klassenzimmer unterrichtet wurden. Im Fach Mathematik teilten sich die Schüler in acht Unterrichtsstufen. so dass sich der Lehrer jeweils nur mit einer Stufe beschäftigen konnte, derweil erhielten die übrigen Stufen Aufgaben für die Stillbeschäftigung. In der benannten Mathematikstunde oblag dem Lehrer die Aufgabe, in jeder Unterrichtsstufe die Hausaufgaben zu kontrollieren, neue Aufgaben zu erklären und Aufgaben für die Stillbeschäftigung sowie Hausaufgaben aufzugeben. Dieses Unterrichts-verfahren war in der Durchführung nicht leicht zu handhaben und galt als meisterhaft - daher auch die Bezeichnung: Dorfschulmeister. Der langjährig amtierende Lehrer Scheel ließ sich 1935 nach Heinersdorf bei Landsberg versetzen. Ihm folgte kurzfristig Lehrer Arthur Witten, und danach nahm Lehrer Günther Roden diese Lehrerstelle ein. Im Kriege musste er zum Wehrdienst, und es kamen dann aus den Nachbarschulen Unterrichtsvertretungen. Raumerswalde und Gerlachsthal hatten ebenfalls einklassige Schulen. Die im Amtsbezirk gelegenen drei Kirchen bildeten ein
Kirchspiel. Lossow mit den beiden Coccejis, des weiteren Raumerswalde
und Gerlachsthal. Der Pfarrer Oswald Balzer führte die Amtsgeschäfte
im in Cocceji-Neuwalde gelegenen großen Pfarrhaus aus. Der Lehrer
spielte auch gleichzeitig die Orgel in Lossow Lehrer Scheel und nach
ihm Lehrer Roden. Auch mein Freund Paul Liebecke beherrschte dieses
Instrument und übernahm Vertretungen. Die landwirtschaftlichen Betriebe waren in ihrer
Struktur vielseitig, weil sie neben dem Getreide (Roggen, Hafer,
Gerste, Weizen und Mais) auch Hackfrüchte (Runkelrüben u.
Kartoffeln) anbauten. Hinzu kam noch die Zwischenfrucht auf den zuerst
abgeernteten Flächen (Senf, Buchweizen, Lupinen u. Stoppelrüben). Eine weitere Fläche blieb noch dem Grasland (Klee u.
andere Gräser) vorbehalten. Nur wenige Landwirte besaßen eine
Warthewiese für die Heubereitung als zusätzliche Futterquelle. Die Viehhaltung bestand hauptsächlich aus: Milchkühen,
Rindernachwuchs, Mastbullen, Sauen mit Ferkelzucht, Mastschweinen,
teilweiser Schafhaltung in geringer Anzahl und Federviehhaltung (Hühner,
Enten, Gänse u. Puten). Die überschüssigen landwirtschaftlichen Produkte
verkauften die Landwirte an verschiedene Händler und Aufkäufer.
Eierhändler Lippert holte Butter, Geflügel und Eier direkt vom Hof.
In seinen ersten Geschäftsjahren fuhr er mit seinem Kiepenfahrrad,
dann mit einem Heuwagen und später mit einem 1-Tonner Opel-Blitz. Kühe,
Kälber, Rinder und Schweine kauften die Großschlächter aus
Obergennin oder Dühringshof auf. Sie lieferten die Schlachtware
weiter nach Berlin. Sehr begehrt war auch der Aufkauf von Ferkeln
durch Händler aus Dühringshof. Die Getreideprodukte kamen zum Mahlen
zu Schrot oder Mehl zu den Motormühlen Zielicke und Knittel oder zur
Windmühle Quielitz in Landsberger-Holländer. Die Bahnstationen befanden sich in Loppow oder Dühringshof
an der Ostbahnstrecke Berlin - Schneidemühl. Die Entfernung zu beiden
Bahnhöfen belief sich in jeweils gleicher Weite von 7 km. Paul
Hohensee führte auf seinem Hof die bäuerliche Raiffeisen-
Einkaufs-Genossenschaft und auch die Spar- und Darlehnskasse, die früher
Lehrer Scheel leitete. Möglichkeit über die Warthe zu kommen gab es
in Raumerswalde durch den Fährmann Mietner und in Gerlachsthal sorgte
der Fährmann Lange für eine sichere Übersetzung. An dieser Stelle endet mein Bericht über die
heimatlichen Kindheits- und Jugenderinnerungen, die ich mit Hinweisen
auch von Heimatfreundinnen und -freunden zusammentragen konnte - ihnen
dafür einen besonderen Dank. Gerhard Bartzke, Studiendirektor i. R. Topsweg
8 40723 Hilden
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Besitzer und Hofstellen von |
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Cocceji-Neudorf |
Cocceji-Neuwalde |
Lossow |
1 Berthold
Bartzke, Ausgedinger 2 Fritz Bartzke, Landwirt 3 Max Schwabe, Bürgermeister und Landwirt 4 Walter Falkenthal, Schlächtermeister 5 Erich Giese u. Ausgedingerhaus, ehem.
Amtsvorsteher, Chorleiter u. Landwirt 6 Max Stolz, Landwirt 7 Gustav Wickert, Landwirt 8 Fritz Büttner, Landwirt 9 Willi Lehmann, Landwirt 10 Paul Friedrich, Ausgedinger und Poststellenleiter 11 Otto Friedrich, Gastwirt u. Landwirt 12 Paul Krügerke, Landwirt 1 3 Otto Steinborn, Postbediensteter 14 Max Basche, Landwirt 15 Richard Jakobi, Landwirt 16 Willi Hartmann, Landwirt 17 Paul Hanff, Landwirt 18 Karl Hartmann, Landwirt 19 Otto Herrmann, Landwirt 20 Herr Quast, Malermeister 21 Karl Knitter, Milchtransporte 22 Hermann
Friedrich, Landwirt 23 Emil Tubandt. Landwirt 24 Paul Bredow, Landwirt 25 Herr Wutschke, Landwirt 26 Eheleute Bredow, Ausgedinger 27 Richard Bredow, Landwirt
|
1 Richard Steillmacher, Fleischer 2 Zu Paul Hohensee gehörend, Bewohner unbekannt 3 Paul Hohensee, Rendant (Rechnungsführer) der Spar-
und Darlehnskasse, Leiter der Raiffeisen-Genossenschaft
und Landwirt 4 Walter Dehn, Schuhmacher 5 Frau Hasse, Witwe 6 Karl Naumann, Landwirt 7 Otto Rapsch, Landwirt 8 Karl
Strauß, Landwirt 9 Frau
Kossan, Witwe 10 Zu Edmund Machus gehörend 11 Emil Schmidt, Landmaschinenhändler 12 Oswald
Balzer, Pfarrer, Pfarrhaus u. Pfarramt 13 Erich Lehmann, Landwirt u. Tischler 14 Paul
Blocksdorf, Bürgermeister und Kolonialwarenhändler 15 Frau
Balzer, Mutter des Pfarrers 16 Otto Köppe, Landwirt 17 Herr Köppler, Landwirt 18 Otto Pape, Gastwirt 19 Otto Bartzke, Landwirt 20 Ernst Freitag, Ausgedinger 21 Frau Rohde, Witwe 22 Richard Krieg, Landwirt 23 Otto Heyer, Schuhmachermeister u. Kirchendiener 24 Willi Suchland, Landwirt 25 Willi Junge, Landwirt 26 Richard Wehlitz, Landwirt, Amtsvorsteher und
Ortsbauernführer 27 Gustav Wehlitz, Landwirt 28 Bruno Wehlitz, Landwirt 29 Herbert Heyer, Landwirt 30 Paul Gesche, Landwirt 31 Karl Clemenz, Landwirt 32 Herr Schwanz, Arbeiter, Mieter des Besitzers
Breitkreuz 33 Karl Gustavus, Landwirt 34 Arthur Wegner, Schneider, Mieter des Besitzers
0.Heyer 35 Otto Heyer, Landwirt 36 Paul Hammel, Landwirt 37 Zu Otto Bartzke gehörend, unbewohnt 38 Paul Müseler, Pensionär 39 Herr Lorenz, Landwirt 40 Erich Quast, Malermeister 41 Paul Quast, Gärtner 42 Paul
Dühring, Landwirt
|
2 Richard Zielicke, Landwirt, Bürgermeister und Müllermeister 3 Emil Preuße, Landwirt, Gastwirt, 4
Spritzenhaus der Feuerwehr 5
Richard Blocksdorf, Landwirt u. Standesbeamter 6
Hans Freitag, Landwirt 7
Alfred Streek, Landwirt 8
Fritz Bartzke, Landwirt 9
Zu August Jaekel gehörend, Bewohner unbekannt 10
Paul Bartzke. Landwirt 11
Max Habermann, Landwirt 12
Otto Werk, Landwirt 13
Zu Fritz Bartzke gehörend letzter Mieter unbekannt. Zuvor von der
Familie Dräger bewohnt 14
Gerhard Asserin, Landwirt 15
Walter Stielicke, Landwirt 16
Fritz Grunow, Landwirt, Schmiede- und Stellmachermeister 17
Otto Wegener, Landwirt 18
Paul Freitag, Landwirt 19
Otto Stellmacher, Landwirt u. Fleischbeschauer 20
Paul Köppe, Landwirt 21
Fritz Hemer, Landwirt 22
Martin Wendt, Landwirt 23
Willi Riehe, Landwirt 24
Agnes Preuße, Witwe u. ehemalige Besitzerin der Gastwirtschaft 25
Georg Neubauer, Bäcker, Mieter des Besitzer Berth. Bartzte 26
Berthold Bartzke, Landwirt 27
Richard Koberstein, Landwirt 28
Edmund Machus, Landwirt 29
Emil Schüler, Landwirt 30
Richard Freitag, Landwirt 31
Richard Freitag, Landwirt 32
Kirche u. Friedhof 33
Schule mit Klassenraum u. Lehrerwohnung, Lehrer und Organist Günther
Roden 34
Karl Russing, Landwirt und Schneidermeister - zu Raumerswalde 35
Paul Liebecke, Landwirt 36
Max Spehr, Landwirt 37
Paul Schneider, Landwirt 38
Max Ufert, Landwirt 39
Paul Fiedler, Landwirt 40
Franz Schley, Landwirt u. Hausschlächter 41
Richard Röseler, Landwirt, 42
Erich Schnetzke, Landwirt 43 Hermann Günther, Landwirt |
Die
Freihandskizze von Lossow und Cocceji mit den Höfen und den Ortsgrenzen
ist nicht maßstabgerecht und erhebt keinen Anspruch auf Genauigkeit und
hat auch keinen amtlichen Charakter. Irrtümer sind durchaus möglich. Das
Namensverzeichnis bezieht sich auf den Stand der Jahre 1938 - 1945. |